Hessen / Rhein-Main-Gebiet / Frankfurt11.04.2019Jüdische Kultur aktiv gelebt – früher wie heute
Mit der drittgrößten jüdischen Gemeinde des Landes zählt Frankfurt am Main, dessen jüdische Tradition bereits Jahrhunderte von Stadtgeschichte prägte, heute wieder zu den Orten Deutschlands, wo jüdische Kultur aktiv gelebt wird. Zu entdecken ist dieses Erbe an etlichen Orten der Stadt, angefangen bei den Eckpunkten der Geschichte einer der berühmtesten Frankfurterinnen des 20. Jahrhunderts, die am 12. Juni ihren 89. Geburtstag feiern würde.
Eine Geschichte, die die Menschheit seit Jahrzehnten bewegt und seither Millionen Menschen weltweit gegen Fremdenhass, Antisemitismus und die Gräueltaten des NS-Regimes mobilisiert hat, erzählt das Tagebuch der jungen aus Frankfurt stammenden Jüdin Anne Frank. Ihr zu Ehren begeht Frankfurt seit 2017 an ihrem Geburtstag den Anne-Frank-Tag mit einem vielseitigen Programm aus Lesungen und Führungen, aber auch Podiumsdiskussionen und Projekten, die beweisen, wie wichtig die Lehre aus der Geschichte des Mädchens noch heute ist. Gehen Sie im Frankfurter Dornbusch auf Spurensuche zu ihrer Frankfurter Kindheit, etwa am Geburtshaus im Marbachweg 307, oder dem ehemaligen Wohnhaus in der Ganghoferstraße 24, wo Gedenktafeln an die Familie Frank erinnern. In der Begegnungsstätte Anne Frank, ebenfalls im Dornbusch, lockt seit Sommer 2018 ein modernes interaktives Lernlabor, dass sich nicht nur mit der Geschichte von Anne Frank befasst, sondern auch ganz praktische Denkanstöße für ein Leben ohne Rassismus, Antisemitismus, Hass und Gewalt geben will. Der Besuch des Lernlabors ist nach Anmeldung für Gruppen ab 13 Jahren möglich.
Während die Geschichte der Franks weltweit Aufmerksamkeit erregt hat, überwiegen jedoch gerade in einer Stadt wie Frankfurt, die vor 1933 die größte jüdische Gemeinde Deutschlands beheimatete, die nicht erzählten Schicksale all jener rund 30.000 Frankfurter Juden, die unter den Nazis zur Flucht gezwungen, verschleppt, gequält und ermordet wurden. An sie erinnern überall in der Stadt weit über 1.000 Stolpersteine. Besonders spannend wird das Entdecken der Gedenksteine mithilfe des Buches „Zehn Rundgänge“ der Initiative Stolpersteine Frankfurt, das auf spannende und berührende Art Lebensgeschichte und Schicksal verschiedener jüdischer Frankfurter verknüpft und einen Stadtrundgang der anderen Art bietet.
Auch einige der regelmäßig stattfindenden Stadtführungen beschäftigen sich mit der jüdischen Geschichte der Mainmetropole. So entdecken Sie bei der zweistündigen Frankfurt-Tour „Jüdisches Frankfurt zu Fuß“ die Geschichte jüdischer Traditionen in der Frankfurter Innenstadt, zwischen Römerberg und Dom, Saalgasse und Staufenmauer. Die ebenso lange Bustour startet ebenfalls am Römerberg, führt dann jedoch entlang der Friedberger Anlage und Eckenheimer Landstraße an den Standorten ehemaliger Synagogen vorbei zum Neuen Jüdischen Friedhof. Die Touren sind buchbar für Gruppen.
Dass die Schrecken der Geschichte nicht verhindert haben, dass auch heute jüdisches Leben und jüdische Religion gelebt werden, beweist die Frankfurter Westend-Synagoge, zu deren Gemeinde heute rund 7.000 Mitglieder zählen. Hier können Sie bei Gottesdiensten jüdische Kultur authentisch erleben und mit Gemeindemitgliedern bei vielen jüdischen Feiern aus dem Festkalender ins Gespräch kommen. Auch etliche Führungen erzählen die Geschichte des Gotteshauses. Das Gebäude wurde im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts erbaut und überstand als einzige Frankfurter Synagoge die Reichspogromnacht. Im Krieg wurde die Synagoge in der Freiherr-vom-Stein-Straße schwer beschädigt, 1950 nach dem Wiederaufbau eingeweiht und in den 1980er- und 90er-Jahren nach historischem Vorbild restauriert.
Wer beim Entdecken der Mainmetropole eine Stärkung braucht und auch dazu jüdische Traditionen erkunden will, hat in der internationalsten Stadt Deutschlands dazu etliche Möglichkeiten. Beim koscheren Einkauf im Migdal Koscher-Laden auf der Saalburgallee unweit der U-Bahnstation Eissporthalle/Festplatz zum Beispiel oder direkt lecker fertig aufgetischt bei Sohar's Restaurant in der Savignystraße im jüdischen Gemeindezentrum.
Und selbst bei strahlendem Sonnenschein gibt es in Frankfurt den perfekten Ort, um das Erforschen des jüdischen Frankfurts so richtig zu genießen: Im Rothschildpark unweit der Alten Oper können Sie zwischen den verschiedensten Grüntönen sowie etlichen Skulpturen einfach die Seele baumeln lassen. Gegründet und benannt wurde der Park von und nach der jüdischen Bankiersfamilie Rothschild, die Frankfurt prägte, wie kaum eine andere, und deren Spuren, sie auch hier im Park noch finden können. Die zahlreichen Bankentürme ringsum machen deutlich, wie sich der Einfluss der Familie auf die Stadt bis in die Moderne manifestiert.
Seit November 1988 verfügt Frankfurt über das erste eigenständige Jüdische Museum Deutschlands, das mit seiner Sammlung über mehr als 800 Jahre jüdischer Geschichte im Alltag des Frankfurter Lebens abdecken kann. Der Hauptstandort des Museums im Rothschild-Palais ist derzeit aufgrund von Bauarbeiten geschlossen, dafür wird die 1992 eröffnete Dependance, das Museum Judengasse umso aktiver als Fläche auch für Wechselausstellungen genutzt. Zum festen Schwerpunkt der Ausstellung zählt hier vor allem das jüdische Leben in der Frankfurter Innenstadt über mehrere Jahrhunderte seit dem Mittelalter. Zusätzlich zu den Ausstellungen in seinen beiden Häusern organisiert das Museum auch die Führungen an der Erinnerungsstätte Großmarkthalle, die seit 2015 auf dem Gelände der neuen Europäischen Zentralbank im Frankfurter Ostend an zahlreiche von den Nazis deportierte Frankfurter Juden erinnert.
Der Neue Jüdische Friedhof in Frankfurt-Eckenheim wurde 1929 eröffnet und dient mit seinen über 54.000 Quadratmetern Fläche bis heute als Friedhof der jüdischen Gemeinde Frankfurt, deren Geschichte er seinen Besuchern ein Stück weit mit erzählt. Seine Außenmauer etwa wurde nach dem Krieg wiederaufgebaut aus Steinen der Hauptsynagoge sowie der Börneplatz-Synagoge, die bei den Novemberpogromen 1938 von Nationalsozialisten zerstört worden waren. Nicht für die Öffentlichkeit zugänglich ist hingegen der Alte Jüdische Friedhof, Deutschlands zweitälteste jüdische Begräbnisstätte. An seinen Mauern erleben Sie trotz verschlossener Tore mitten in der Innenstadt – genauer in der Battonnstraße – Frankfurter Geschichte. Sie passieren die nördliche Außenmauer, wo Gedenksteine an fast 12.000 Frankfurter Juden erinnern, die von den Nazis ermordet wurden. Beim Blick durch die Gitter der fest verschlossenen Zugangstore wird klar, wie die Nazis auf dem Gelände der Grabstätte wüteten, zerstörte Grabsteine erinnern noch heute an Hass, Ausgrenzung und Gräueltaten.
Denen letztlich – kurz vor Kriegsende – auch Anne Frank zum Opfer fiel. Die Botschaft, für die sie heute steht, ist ganz klar: Unsere Gesellschaft braucht Offenheit, Akzeptanz, Geschichtsbewusstsein, um Rassismus, Hass und Ressentiments gegen alles Fremde hinter sich zu lassen. Die internationale Bevölkerung dieser Stadt macht diesen Gedanken Tag für Tag erlebbar. Zeit sich einen Überblick über Frankfurt und seine Menschen zu verschaffen: Erst im Foyer der Helaba im Main Tower, Frankfurts einzigem öffentlich zugänglichem Wolkenkratzer, wo das Wandmosaik „Frankfurter Treppe“ 56 Frankfurter Persönlichkeiten zeigt, darunter auch die junge Anne Frank. Einige Minuten später betrachten Sie die Stadt von der Dachplattform aus der Vogelperspektive. Alle Menschen und Geschichten spielen sich zu ihren Füßen ab. Genau Hinsehen lohnt sich!
Foto: Jüdische Gedenkstätte Börneplatz mit Straßenschildern - © #visitfrankfurt, Holger Ullmann
Source: Tourismus + Congress GmbH Frankfurt am Main
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